Von zu viel Storytelling kann man auch Kopfschmerzen kriegen – Wie Marken im „Überreizungs-Zeitalter“ überleben

Kennst du das? Du öffnest Netflix und scrollst dich durch Hunderte von Serien, während du parallel bei Instagram durch Werbeanzeigen von Marken schlidderst, die dich emotional mit ihrem „authentischen Storytelling“ berühren wollen. Am Ende machst du gar nichts – weil einfach zu viel los ist.

In der aktuellen Ausgabe des NZZ Folio von März 2025 geht es in dem Artikel von Micha Lewinsky „Gefühl, Brutalität, Tempo“ genau darum: Wie wir alle übersättigt sind von Geschichten, Emotionen und Dauerbespaßung – von Marken, Filmen, Serien und Influencern, die sich mit aller Gewalt in unser Bewusstsein drängen. Und das führt zu einer unbequemen Frage: Machen wir mit Storytelling im Marketing nicht alles nur noch schlimmer? Ist es Zeit für eine radikale Marketing-Diät?

Hier die wichtigsten Learnings für Marken, die in dieser digitalen Dauererregung nicht untergehen wollen.

Aufmerksamkeit ist knapp – Qualität schlägt Quantität

Problem:

  • Die Aufmerksamkeitsspanne der Menschen ist so lang wie ein TikTok-Video.
  • Marken, die einfach nur lauter schreien, gehen in der Masse unter.
  • Wer mit Schock und Skandal provoziert, bekommt vielleicht kurz Applaus, aber langfristig auch Kopfschütteln.

Lösung:

  • Lieber weniger, aber besser: Statt täglicher 08/15-Postings lieber ein paar starke Inhalte, die wirklich relevant sind.
  • Langfristiges Storytelling mit Tiefgang statt billiger Emotionen.
  • Marketing entschleunigen: Die Menschen sehnen sich nach Ruhe – biete sie ihnen.

Beispiel:
John Lewis beweist seit Jahren, dass Storytelling auch langsam und berührend sein kann – mit Weihnachtskampagnen, die sich nicht nach Clickbait, sondern nach echten Emotionen anfühlen.

Authentizität statt Reizüberflutung

Problem:

  • Menschen sind müde von inszenierten „Storytelling-Kampagnen“, die auf Teufel komm raus viral gehen wollen.
  • Übertriebene Emotionen wirken schnell manipulativ.
  • Marken, die mit erzwungenen „authentischen“ Storys um sich werfen, erreichen das Gegenteil.

Lösung:

  • Ehrlich währt am längsten: Erzähle nur die Geschichten, die wirklich zur Marke passen.
  • Glaubwürdigkeit schlägt Inszenierung – Kunden merken, wenn es nur um Sales geht.
  • Marken brauchen eine echte Mission, keine austauschbaren Werbeslogans.

Beispiel:
Patagonia erzählt keine Märchen, sondern zeigt echte Menschen, die die Natur schützen – und verkauft dadurch ganz nebenbei mehr Jacken als die Konkurrenz.

Von „Dopamin-Marketing“ zu „Serotonin-Marketing“

Problem:

  • Marketing-Mechaniken basieren auf schnellen Reizen – Klicks, Likes, kurze Glücksmomente.
  • Langfristig stumpfen Nutzer aber ab und verlieren das Interesse.
  • Marken, die nur auf virale Trends setzen, sind morgen schon vergessen.

Lösung:

  • Statt schneller Dopamin-Kicks lieber auf langfristige Serotonin-Bindung setzen.
  • Inhalte anbieten, die nachhaltig wirken, statt nur für den nächsten Swipe gut zu sein.
  • Communitys aufbauen, die mehr sind als bloße Followerzahlen.

Beispiel:
IKEA setzt zunehmend auf Inhalte, die Geborgenheit und Nachhaltigkeit vermitteln, statt nur Rabattaktionen rauszuhauen.

Digital Detox – Marken als Ruhepol statt Dauerbespaßer

Problem:

  • Menschen haben keine Lust mehr auf Dauerberieselung.
  • Werbe-Kapriolen wirken zunehmend abschreckend.
  • Konsumenten fangen an, bewusst weniger Social Media zu nutzen.

Lösung:

  • Statt Dauerpräsenz bewusst Pausen in der Kommunikation einbauen.
  • „Silent Marketing“ nutzen: Weniger ist mehr, wenn es um Aufmerksamkeit geht.
  • Marken sollten nicht immer reden, sondern auch mal zuhören.

Beispiel:
Nike hat mit Kampagnen wie „Find Your Silence“ das Gegenteil von lautem Werbelärm gemacht – und damit die Zielgruppe genau dort abgeholt, wo sie es brauchte.

Social-Media-Suchtmechanismen hinterfragen

Problem:

  • Algorithmen zielen auf Suchtmechanismen – Marken verstärken diesen Effekt oft unbewusst.
  • Kunden könnten sich von solchen Plattformen bewusst abwenden.
  • Marken machen sich abhängig von kurzfristigen Engagement-Trends.

Lösung:

  • Owned Media ausbauen – Newsletter, Blogs, Communitys statt nur Instagram & TikTok.
  • Weniger algorithmischer Druck, mehr echte Interaktion.
  • Alternativen zum endlosen Scrollen: Interaktive Formate, Gamification, Slow Content.

Beispiel:
Red Bull hat sich mit eigenen Plattformen längst von der Social-Media-Abhängigkeit befreit – Red Bull TV, Magazine und Events sind unabhängig von TikTok-Hypes.

Keine „Cringe-Momente“ provozieren

Problem:

  • Konsumenten sind kritischer als je zuvor.
  • Übertriebene Inszenierungen können nach hinten losgehen.
  • Die Gefahr von Shitstorms ist real – vor allem, wenn Marken zu manipulativ auftreten.

Lösung:

  • Ehrlich kommunizieren – kein aufgebauschter Kitsch, keine übertriebenen Versprechungen.
  • Emotionen dosieren – weniger Pathos, mehr echte Werte.
  • Community-Feedback ernst nehmen und wirklich darauf eingehen.

Beispiel:
Dove zeigt mit „Real Beauty“, dass Storytelling auch ohne künstliche Überhöhung funktioniert – mit echten Menschen und echten Geschichten.

Fazit: Ist dein Marketing zu laut?

Marken stehen vor der Herausforderung, nicht lauter, sondern relevanter zu werden. Die besten Strategien für die Zukunft:

  1. Weniger, aber bessere Inhalte – Qualität vor Quantität.
  2. Authentizität statt emotionsgetriebener Manipulation.
  3. Serotonin statt Dopamin – langfristige Zufriedenheit statt kurzfristiger Klicks.
  4. Marketing-Pausen einplanen – keine Dauerbeschallung.
  5. Eigene Plattformen aufbauen, um nicht von Social-Media-Trends abhängig zu sein.
  6. Hinhören statt nur senden – die Community ernst nehmen.

Und jetzt mal ehrlich: Wann hat dein Marketing-Team das letzte Mal etwas NICHT gepostet – und war das vielleicht das Beste, was ihr je getan habt?

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