Einige Markenstrategien beginnen mit klassischen Business-Tools wie der SWOT-Analyse. Andere nehmen ihren Anfang mit einem absurden Plot-Twist, den sich selbst Netflix kaum besser hätte ausdenken können: Zwei Hollywoodstars kaufen einen walisischen Fußballclub. Klingt verrückt? Ist es auch. Aber es ist auch ein Paradebeispiel dafür, wie man mit Storytelling, psychologischem Feintuning und einer gehörigen Portion Bodenständigkeit eine Marke auflädt, dass sogar die Marketingabteilungen von DAX-Konzernen blass aussehen.
Die Heldenreise als narrative Struktur – Der Kunde im Zentrum der Erzählung
Ryan Reynolds formulierte es so: „Ich dachte, ich würde mich in einen Fußballverein verlieben, aber stattdessen habe ich mich in eine Stadt verliebt.“ Damit verschiebt er den Fokus: Nicht der Verein steht im Mittelpunkt der Geschichte, sondern die Menschen vor Ort – Fans, Bewohner, Mitstreiter. Diese Perspektive entspricht der klassischen Heldenreise nach Joseph Campbell: Eine Figur (hier: die Community) begibt sich auf eine Reise, überwindet Hürden und entwickelt sich weiter. Die Rolle der beiden US-Stars? Die der Mentoren, die diesen Weg ermöglichen.
Was bedeutet das für Markenkommunikation? Nicht das Unternehmen sollte sich als Held inszenieren, sondern der Kunde. Dein Unternehmen wird zum Sidekick, zum Coach, zum Möglichmacher. Wer das narrativ verankert, erzeugt Identifikation und Loyalität. Und wissenschaftlich untermauert ist das Ganze auch noch: Der sogenannte „Story Bias“ sorgt dafür, dass Inhalte in erzählerischer Form besser erinnert und emotional verankert werden. Einfach gesagt: Daten langweilen, Geschichten bleiben.
Psychologische Wirkmechanismen – Bindung durch Wiederholung und Emotionalisierung
Rob McElhenney formulierte ihr Anliegen so: „Wir wollten etwas bewirken, eine Geschichte erzählen, die Hoffnung gibt.“ Die damit verbundene Dokumentarserie „Welcome to Wrexham“ ist keine Doku – sie ist emotionales Guerilla-Marketing par excellence:
- Commitment & Konsistenz (Cialdini): Wer einmal angefixt ist, bleibt oft aus reiner Prinzipientreue dran. #Fanliebe
- Parasoziale Interaktion: Zuschauer:innen fühlen sich Reynolds & McElhenney näher als ihrem Steuerberater. Kein Wunder, echte Emotion schlägt sterile Kommunikation.
- Emotionale Anker: Aufstiege, Abstiege, Tränen – alles bestens geeignet, um tief im limbischen System einzurasten.
Für Unternehmen bedeutet das: Hör auf, nur Fakten zu senden. Gib deiner Marke ein Gesicht. Oder besser: viele Gesichter. Und erzähle konsistent, immer wieder und wieder. Wie ein gutes Serienformat eben.
Vom Empfänger zur Mitgestalterin – Community-Building als strategisches Element
Wrexham hat seine Fans nicht nur mit Trikots und Tickets abgespeist, sondern ihnen eine Bühne gebaut. Sie wurden Teil der Geschichte, nicht bloß Zaungäste. Und das schafft Bindung, die sich nicht in Likes messen lässt.
Für KMU heißt das: Keine Angst vor Mitbestimmung. Kunden wollen nicht nur konsumieren, sie wollen mitgestalten. Schaffe Räume, in denen Feedback kein Pflichtprogramm ist, sondern Teil deiner DNA. Denn Studien zeigen: Wer mitmachen darf, bleibt treu.
Multikanalstrategie und Kohärenz – Die „Netflixisierung“ der Marke
Instagram, TikTok, YouTube, FX-Serie – Wrexham spielt auf allen Bühnen, aber die Story bleibt dieselbe: Hoffnung, Kampf, Gemeinschaft. Das nennt man Transmedia Storytelling. Und es ist die Königsdisziplin moderner Kommunikation.
Unternehmen sollten daher nicht einfach nur überall präsent sein, sondern überall dieselbe Geschichte erzählen. In variierter Form, aber mit rotem Faden. Denn nichts verwirrt mehr als ein Markenkern, der sich je nach Plattform verbiegt wie ein schlechter Pop-Songtext.
Menschlichkeit als Differenzierungsmerkmal – Authentizität statt Hochglanz
Zwei Amerikaner kaufen einen walisischen Club? Klingt nach Satire, wurde aber zur Liebesgeschichte. Weil Reynolds & McElhenney sich nicht als unfehlbare Investoren inszenieren, sondern als lernende Fans. Mit Selbstironie, Charme und einer gesunden Portion Demut.
Auch für Mittelständler gilt: Perfektion ist out. Authentizität ist in. Zeig nicht nur, wie toll du bist – zeig, wer du bist. Das schafft Vertrauen, das keine Werbekampagne der Welt kaufen kann.
Fazit: Eine anwendbare Strategie für KMU-Marken
Was lässt sich konkret aus der Wrexham-Strategie für mittelständisches Marketing ableiten?
| Element | Umsetzung im Mittelstand |
|---|---|
| Kunde als Held | Erzähle nicht, was du tust – sondern wem du hilfst. |
| Dokumentation statt Werbung | Zeige Entwicklung, nicht nur Ergebnisse. |
| Emotionale Erzählung | Nutze Affekte wie Hoffnung, Stolz oder Scheitern. |
| Community-Ansatz | Baue echte Mitgestaltung ein. |
| Authentizität | Sei ehrlich, nicht perfekt. |
Am Ende erzählst du keine Geschichte über dich. Du erzählst eine Geschichte, in der sich andere wiederfinden. Eine Geschichte, die Menschen berührt, involviert und inspiriert.
Und falls du dabei nicht der Held bist, sondern der Mentor? Herzlichen Glückwunsch. Das ist nicht nur klüger – das ist die wahre Kunst wirksamer Markenkommunikation.