„Wir müssen die richtigen Fragen stellen“, sagt die Neurowissenschaft. Und das Marketing so: „Wann genau kauft er endlich?!“
Von den Tiefen deines Bewusstseins bis zum Einkaufswagen ist es oft nur ein kurzer, unbewusster Klick.
Ein Interview über das Bewusstsein klingt erstmal wie ein Thema für den Philosophie-LK oder eine lange Nacht im Berliner Hinterhof. Aber halt. In den Artikeln „Wir müssen die richtigen Fragen stellen“ und „Auf der Suche nach dem Unbewussten“ aus der „Gehirn&Geist 5/2023“ steckt mehr drin fürs Marketing als man im ersten Moment denken würde. Denn was Wilke und Pauen da über Hirn, Geist und Maschinen sagen, klingt wie direkt aus dem Neuromarketing-Kochbuch. Spoiler: Mr. Spock wäre ein miserabler Markenbotschafter.
1. Kaufentscheidungen sind keine Kopf-, sondern Bauch-Sache
Bewusstsein ist, wie Michael Pauen erklärt, „kein Zustand, sondern ein Kontinuum“. Und dieses Kontinuum ist meistens im Standby-Modus, während wir im Supermarkt zur teureren Zahnpasta greifen – „weil sie besser riecht“ oder „weil wir das Logo kennen“. Klingt irrational? Ist es auch. Aber genau deshalb so menschlich. Mr. Spock verkauft nicht. Homer Simpson schon. Oder anders gesagt: Emotionales Storytelling wirkt stärker als nüchterne Argumente.
Marketing-Tipp: Erzähl keine Fakten. Erzähl Geschichten. Nutze Geschichten, Bilder, Farben, Musik und Symbole gezielt. Trigger Emotionen, nicht Excel-Tabellen.
2. Dein Gehirn liebt Abkürzungen – Marken nutzen das aus
Melanie Wilke verweist auf die „inattentional blindness“ – unser Gehirn übersieht bewusst das Offensichtliche, wenn es mit etwas anderem beschäftigt ist. Gleichzeitig laufen Assoziationen automatisch ab, wie reflexhafte Shortcuts: Karriere = Anzug, Familie = Vanilleduft. Marken nutzen das. Oder verpassen die Chance.
Marketing-Tipp: Teste Assoziationen. Arbeite mit Symbolen. Sei so klar wie der Geruch von Nivea.
3. Aufmerksamkeit? Ein knappes Gut, das sich steuern lässt
Die Gehirnforschung zeigt: Wir nehmen nicht wahr, was da ist – sondern was unser Hirn für relevant hält. Farben, Bewegungen, Babygesichter – alles, was knallt, gewinnt. Die Kunst: Relevanz inszenieren, ohne zu schreien.
Marketing-Tipp: Setze gezielt visuelle Anker, starke Kontraste, Bewegungen oder Gesichter ein, um die Aufmerksamkeit zu lenken – visuelle Platzhirsche im Dschungel der Anzeigen, Social Media und des Verpackungsdesigns.
4. Bias-Alarm: Auch Marketer denken in Klischees
Wilke und Pauen sprechen über implizite Annahmen. Über das, was wir denken zu wissen – aber nie bewusst hinterfragen. Klingt wie die Standard-Zielgruppe in vielen Briefings: „männlich, 35, technikaffin“. Ergebnis: Werbung, die aussieht wie ein Katalog von 1998.
Marketing-Tipp: Diversität ist kein Buzzword. Es ist Realitätsabbildung. Und damit: wirtschaftlich sinnvoll.
5. Freier Wille? Vielleicht. Kaufentscheidung? Eher nicht.
„Ich kann Radfahren, mein Gehirn allein kann das nicht“, sagt Pauen. Übersetzt: Verhalten ist mehr als Bewusstsein. Menschen glauben, sie hätten entschieden. Tatsächlich wurden sie von unbewussten Faktoren gelenkt. Das heißt: Deine Zielgruppe weiß oft selbst nicht, warum sie sich für Produkt A oder B entscheidet
Marketing-Tipp: Reduziere kognitive Dissonanzen. Gib Sicherheit, nicht Wahlmöglichkeiten. Klarheit verkauft.
6. System 1 & System 2: Die zwei Seelen des Konsums
Kahnemans berühmtes Modell wird durch Wilke und Pauens Aussagen bestätigt. Schnelles Denken vs. langsames Nachdenken. Oder im Marketing: Story vs. Datenblatt. Die „Dual-Process-Theorie“ hilft beim Verstehen von Kaufprozessen
- System 1: Schnell, intuitiv, emotional
- System 2: Langsam, bewusst, rational
Marketing-Tipp: Baue deine Kampagne wie ein gutes Date auf: erst Emotion, dann Erklärung. Erst „Wow!“, dann „Warum?“. Richte deine Customer Journey auf beide Systeme aus.
Fazit:
Bewusstsein ist ein bisschen wie der CEO im Konzern – denkt, er macht alles, aber in Wirklichkeit laufen die wichtigen Dinge hinter seinem Rücken. Wenn du das verstehst, kannst du Marken aufbauen, die wirken. Nicht nur im Kopf, sondern tief im limbischen System.
Oder wie’s im Magazin Gehirn&Geist so schön heißt:
„Wir müssen die richtigen Fragen stellen.“ Aus Marketing Sicht sollte eine davon lauten: Was fühlt mein Kunde – bevor er denkt?