Die Marke, die Generationen verbindet
Neulich auf der Power Up Tour von AC/DC. Vor mir ein kleines Mädchen, wild wie ein Flummi. Neben mir ein älterer Herr, der im Takt wippte wie eine Schweizer Uhr. Links Azubis, rechts Eltern, dazwischen Rentner. Alle grinsten. Alle fühlten sich gemeint. Wie schafft es eine Band, die seit 1973 unterwegs ist, heute noch Menschen abzuholen, die nach 2000 geboren wurden? Weil hier keine Folklore am Werk ist, sondern harte Markenarbeit. Jeder im Publikum erkennt die Codes auf der Bühne: das Blitz-Logo, Angus’ Schuluniform, die Glocke, die Kanonen, der trockene Gitarrensound. Das ist kein Zufall, das ist System – und genau deshalb taugt AC/DC als Blaupause für Marketing.
Was die Forschung dazu sagt
Marken wachsen nicht, weil sie „genial“ sind, sondern weil sie leicht erinnert und leicht gefunden werden. Mentale und physische Verfügbarkeit bilden das Doppel, das Reichweite und Penetration treibt. Mentale Verfügbarkeit entsteht, wenn wiedererkennbare, konsistent eingesetzte Distinctive Brand Assets – Farben, Formen, Töne, Figuren, Bildstile – das Abrufen deiner Marke im Kopf abkürzen. Physische Verfügbarkeit meint alles, was den Kauf realistisch macht: Distribution, Präsenz in relevanten Kanälen, auffindbare Angebote, reibungsarme Prozesse. Entscheidend ist zudem, wofür man dich erinnert. Category Entry Points ordnen diese Kaufauslöser: Wann, wo, mit wem, warum und unter welchem Hindernis jemand kauft. Wer seine Marke an möglichst viele dieser Türen klebt, fällt in mehr Situationen ein. Und am Ende zählt die Balance: Langfristiger Markenaufbau schafft Preis-Power und Nachfragebasis, kurzfristige Aktivierung hebt den reifen Apfel vom Baum. Ohne Fundament werden Spikes zu Strohfeuern.
AC/DC durch die Markenbrille
Die Band führt seit Jahrzehnten ein strenges, kleines Set an Marken-Codes. Das Blitz-Logo steht wie in Stein gemeißelt. Angus Youngs Schuluniform ist eine wandelnde Bildmarke. Der Sound ist keine Laune, sondern eine Erwartung, die jedes Mal eingelöst wird. Auf Tour passiert dasselbe Ritual: Glocke bei „Hells Bells“, Kanonendonner bei „For Those About to Rock“, Energie bis zur letzten Reihe. Ergebnis: hohe mentale Verfügbarkeit, weil jeder in Sekunden erkennt, wer da spielt; zugleich hohe physische Verfügbarkeit, weil die Marke verlässlich präsent ist – Alben, Airplay, Playlists, Welttourneen, Merch, Medien. Die Mischung aus „Hits“ (Langfrist-Codes) und „Neuem“ (Aktivierung) hält das Ganze frisch, ohne die Wiedererkennbarkeit zu opfern. Keine Stil-Zickzacks, keine Identitätswechsel. Konsistenz ist hier kein Dogma, sondern Geschäftsmodell.
Übertragung in dein Marketing
Beginne mit deiner Asset-Inventur. Welche Farben, Formen, Claims, Typografien, Bildstile, Töne oder Figuren nutzt ihr – und wie bekannt sowie eindeutig sind sie im Markt? Verdichte auf drei bis fünf harte Codes und verankere sie überall: Website, Angebote, Sales-Decks, E-Mail-Signaturen, Fahrzeuge, Arbeitskleidung, Messebau. Keine Maßnahme ohne diese Codes. Denke auch jenseits von Grafik: Ein wiederkehrender Ton, ein Onboarding-Ritual, eine typische Verpackung – Audio und Handlungen prägen schneller als ein PDF.
Kartiere anschließend die Category Entry Points. Das 7-W-Raster liefert die Leitplanken: Wer kauft? Warum? Wann? Wo? Während was? Mit wem? Welches Hindernis steht im Weg? Daraus entstehen fünf priorisierte Situationen, in denen du erinnert werden willst. Für jede Situation entsteht mindestens ein Beweisstück – Case, Demo, Checkliste oder ein kurzes „How-to“. Es geht nicht um mehr Content, sondern um bessere Andockpunkte. Wenn der Einkaufsleiter nachts an Ausfallzeiten denkt, muss deine Marke als Lösung „Schichtwechsel ohne Stillstand“ auftauchen – nicht als generisches „Qualität seit 1985“.
Reichweite ohne Scheuklappen
Reichweite schlägt Frequenz. Enges Targeting wirkt effizient, beraubt dich aber oft der Breite, die Marken brauchen. Setze auf Kanäle, in denen du neue Köpfe in deiner Kategorie günstig erreichst, und halte deine Codes durchgängig sichtbar. Plane die Balance aus Marke und Aktivierung: Die Marke läuft immer mit klarer, konsistenter Tonalität; die Aktivierung zündet gezielt, wenn Kaufnähe besteht. So vermeidest du den Jo-Jo-Effekt aus kurzfristigen Peaks und langen Tälern.
Erlebnis als Wachstumshebel
Erlebnis ist kein Luxus, sondern Pflicht. Definiere ein Signature-Erlebnis, klein, wiederholbar und dokumentierbar – etwa ein 48-Stunden-Onboarding-Audit, eine „Go-Live-Glocke“ mit Kundenteam oder ein 30-Tage-Health-Check. „Live first“ hilft: Werksführungen, Demos, Webinare – immer im gleichen, straffen Ablauf: Problem, Mechanik, Beweis, Next Step. Aus jedem Live-Moment gewinnst du Material für Social, Sales und PR. So entsteht Mundpropaganda, weil es etwas Konkretes zu erzählen gibt.
Operative Leitplanken
Halte die Regeln schlank und sichtbar. Eine One-Page „Brand Laws“ bündelt die fünf wichtigsten Prinzipien: Nutzenfokus, Tonalität, Pflicht-Assets, Bildstil sowie klare Do/Don’t-Beispiele. In jedes Briefing gehört die Frage, ob die drei bis fünf Distinctive Brand Assets tatsächlich sichtbar oder hörbar sind. Parallel erhöhst du deine Case-Quote – mehr veröffentlichbare Projekte, klar formuliert und sauber bebildert. Das zahlt direkt auf mentale Verfügbarkeit in den priorisierten Kaufsituationen ein.
Fazit
Die Evidenz ist unspektakulär – und gerade deshalb nützlich. Baue erkennbare Codes auf, koppel sie an echte Kaufsituationen, sichere Reichweite, halte die Linie und liefere erlebbare Qualität. AC/DC zeigt, wie das aussieht, wenn man es stur durchzieht. Du brauchst dafür keine Marshall-Wand – nur Disziplin im System.
Mini-Checkliste
- Kennst du deine drei bis fünf wirklich unverwechselbaren Marken-Assets – und nutzt ihr sie konsequent?
- Sind die wichtigen Kaufsituationen deines Marktes klar benannt – und hast du pro Situation mindestens ein Beweisstück?
- Erreichst du deine potenziellen Kunden breit genug – oder verlierst du die Kategorie im Mikrotargeting?
- Läuft deine Marke dauerhaft, während Aktivierungen gezielt zünden?
- Gibt es ein Signature-Erlebnis, das Kunden weitererzählen – und das ihr dokumentiert?
Wenn beim nächsten Konzert vor dir wieder ein Flummi springt und neben dir ein Gentleman wippt, denk an deine Marke. So fühlt sich Konsistenz an. Und so wächst sie.